Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit

Allan Kardec

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Ein ehrgeiziger Gelehrter

Frau B ..., aus Bordeaux, hat nicht die Nöte und Ängste des Elends empfunden, aber sie hat ihr ganzes Leben lang körperliche Schmerzen durch die zahllosen schweren Krankheiten erduldet, von denen sie siebzig Jahre lang ab dem Alter von fünf Monaten befallen wurde. Diese brachten sie beinahe jedes Jahr an den Rand des Grabes. Dreimal wurde sie durch die Experimente vergiftet, die die unsichere Wissenschaft an ihr machte. Ihre körperliche Konstitution, ebenso durch die Gegenmittel wie durch die Krankheiten zugrunde gerichtet, hat sie bis an das Ende ihrer Tage eine Beute unerträglicher Leiden sein lassen, die nichts mildern konnte. Ihre Tochter, spiritistische Christin und Medium, flehte in ihren Gebeten zu Gott, diese furchtbaren Prüfungen erträglicher zu machen, aber ihr geistiger Führer sagte ihr, sie solle einfach für sie um die Kraft bitten, diese mit Geduld und Ergebung zu ertragen, und gab ihr folgende Belehrungen:

"Alles im menschlichen Leben hat seinen Daseinsgrund. Es gibt nicht eines unter den Leiden, die ihr nicht verursacht habt, die nicht eine Berechtigung in den Leiden finden, die ihr zu erdulden habt, nicht eine eurer Ausschreitungen, die nicht ein Gegengewicht in einer eurer Entbehrungen findet. Nicht eine Träne fließt aus euren Augen, ohne dass sie einen Fehltritt, manchmal ein Verbrechen abzuwaschen hätte. Unterzieht euch also mit Geduld und Resignation euren körperlichen oder seelischen Schmerzen, so hart und schwer sie euch auch erscheinen mögen, und denkt an den Bauer, dessen Glieder von Mühe und Arbeit zerschlagen sind, der aber ohne Unterlassung sein Werk fortsetzt. Denn ihm winken stets die goldenen Ähren, die die Früchte seiner Ausdauer sind. Das ist das Los des Unglücklichen, der auf eurer Erde leidet. Die Sehnsucht nach dem Glück, das die Frucht seiner Geduld sein soll, wird ihn stark gegenüber den vorübergehenden Schmerzen des menschlichen Daseins machen.

So steht es mit deiner Mutter! Jeder Schmerz, den sie als eine Sühne hinnimmt, ist ein aus ihrer Vergangenheit getilgter Flecken und je eher die Flecken alle getilgt sein werden, desto eher wird sie glücklich sein. Der Mangel an Gottergebenheit allein macht das Leiden unfruchtbar, denn dann sind die Prüfungen von vorn anzufangen. Was also für sie am nützlichsten ist, ist Mut und Unterwerfung. Das ist es, um dessen Gewährung Gott und die guten Geister gebeten werden müssen.

Deine Mutter war einst ein guter Arzt, sehr angesehen in einer Gesellschaftsschicht, die sich um jeden Preis bemüht, ihr Wohlergehen zu sichern und von der er mit Geschenken und Ehren überhäuft wurde. Begierig nach Ruhm und Reichtum, bestrebt den Gipfel der Wissenschaft zu erreichen, nicht in der Absicht, seinen Brüdern Trost und Erleichterung zu bringen - denn ein Menschenfreund war er nicht - sondern in der Absicht, seinen Ruf und dadurch seine Kundschaft zu vermehren, ließ er sich keinen Preis zu hoch sein, wenn es darum ging, seine Forschungen zu einem guten Ende zu führen. Die Mütter wurden auf ihrem Leidensbett gequält, weil er in den Krämpfen, die er hervorrief, einen Gegenstand der Forschung sah. Die Kinder wurden den Experimenten unterzogen, die ihm den Schlüssel zu gewissen Erscheinungen liefern sollten. Greise sahen wie ihr Ende sich beschleunigte. Kräftige Männer fühlten sich durch die Versuche geschwächt, die die Wirkung von diesem oder jenem Trank feststellen sollten. Und alle diese Experimente wurden an den vertrauensvollen Unglücklichen durchgeführt. Die Befriedigung der Habgier und des Hochmuts, der Durst nach Gold und Ruhm, das waren die Triebfedern seines Handelns. Es hat Jahrhunderte und schreckliche Prüfungen gebraucht, um diesen hochmütigen und ehrgeizigen Geist zu bändigen. Dann hat die Reue ihr Erneuerungswerk begonnen und das Wiedergutmachen geht dem Ende zu. Denn die Prüfungen dieser letzten Inkarnation sind süß neben denen, die er erduldet hat. Mut also, wenn die Strafe lang und hart gewesen ist! Die der Geduld, der Ergebung und Demut gewährte Belohnung wird groß sein.

Seid mutig, ihr alle, die ihr leidet! Denkt an die Kürze der Zeit, die euer materielles Dasein währt. Denkt an die Freuden der Ewigkeit! Ruft die Hoffnung zu euch, diese ergebene Freundin jedes leidenden Herzens! Ruft den Glauben zu euch, diese Schwester der Hoffnung, den Glauben, der euch den Himmel zeigt, in den die Hoffnung euch vor der Zeit hinführt. Ruft auch jene Freunde zu euch, die der Herr euch schenkt, die euch umgeben, euch aufrecht halten und euch liebhaben, und deren beständige Fürsorge euch zu Dem zurückführt, den ihr durch Übertretung Seiner Gesetze beleidigt hattet!"

Bemerkung: Nach ihrem Tod hat Frau B ... teils ihrer Tochter, teils der Spiritistischen Gesellschaft von Paris Mitteilungen gemacht, in denen sich die hervorragendsten Eigenschaften spiegeln und in denen sie bestätigt, was in den auf sie bezogenen vorherigen Aussagen gesagt worden war.