Himmel und Hölle oder Die göttliche Gerechtigkeit

Allan Kardec

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(Der Geist wendet sich an das Medium, das ihn zu Lebzeiten gekannt hatte.)

Ich werde dir sagen, was ich erlitten habe, als ich gestorben bin. Mein Geist, der durch materielle Fesseln an meinem Körper festgehalten wurde, hatte große Mühe, sich davon zu befreien, was eine erste und schwere Angst war. Das Leben, das ich mit 24 Jahren verlassen hatte, war noch so stark in mir, dass ich nicht an seinen Verlust glaubte. Ich suchte meinen Körper und war erstaunt und erschrocken, mich inmitten dieser Menge von Schatten verloren zu sehen. Endlich wurde ich mir meines Zustands bewusst und erkannte plötzlich die Fehltritte, die ich in all meinen Inkarnationen begangen hatte. Ein unerbittliches Licht erhellte die geheimsten Winkel meiner Seele, die sich nackt fühlte und dann von einer erdrückenden Scham ergriffen wurde. Ich versuchte, ihr zu entkommen, indem ich meine Aufmerksamkeit auf die neuen und dennoch vertrauten Gegenstände um mich herum richtete. Die strahlenden Geister, die im Äther schwebten, ließen mich ein Glück erahnen, auf das ich keinen Anspruch haben konnte. Finstere und trostlose Gestalten, einige in düstere Verzweiflung getaucht, andere ironisch oder wütend, glitten um mich herum und über die Erde, an die mein Dasein gefesselt blieb. Ich sah die sich hin und her bewegenden Menschen, deren Unwissenheit ich beneidete. Eine ganze Reihe unbekannter oder wiederentdeckter Empfindungen drangen gleichzeitig auf mich ein. Angetrieben wie von einer unwiderstehlichen Kraft, um diesem unerbittlichen Schmerz zu entfliehen, überwand ich Entfernungen, die Elemente, materielle Hindernisse, ohne dass die Schönheiten der Schöpfung oder der himmlische Glanz für einen Augenblick die Zerrissenheit meines Gewissens oder den Schrecken lindern konnten, den die Offenbarung der Ewigkeit mir verursachte. Ein Sterblicher kann äußerliche Qualen durch das Schaudern des Körpers ahnen und empfinden, aber eure vergänglichen Schmerzen, gemildert durch Hoffnung, abgeschwächt durch Ablenkungen, getötet durch Vergessen, können euch niemals die Ängste einer Seele verstehen lassen, die ohne Unterbrechung leidet, ohne Hoffnung und ohne Reue. Ich verbrachte eine Zeit, deren Dauer ich nicht abschätzen kann, beneidete die Erwählten, deren Glanz ich von ferne sah, verabscheute die bösen Geister, die mich mit ihrem Spott verfolgten, verachtete die Menschen, deren Schandtaten ich sah, und ging von einer tiefen Niedergeschlagenheit zu einer sinnlosen Empörung über.

Endlich hast du mich gerufen und zum ersten Mal beruhigte mich ein sanftes und zärtliches Gefühl. Ich habe den Belehrungen zugehört, die dir deine Führer geben. Die Wahrheit drang in mich ein und ich betete. Gott hat mich erhört. Er hat sich mir durch seine Milde offenbart, wie er sich durch seine Gerechtigkeit offenbart hatte.

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